Naja, bei den ehelmaligen Ostblockländern lässt man ja noch etwas Toleranz gelten. Die sind ja erst seit so 30 Jahren mit demokratischen Regeln konfrontiert und brauchen halt eine Zeit der Eingewöhnung. Und Litauen ist ja in der Weltpolitik nicht mehr als ein Ochsenfrosch, der sich so aufbläst, dass immer zu befürchten ist, dass er bald platzt.
Auf dem Weg zu diktatorischen Verhältnissen ist es ja immer ein Step die unbequeme Justiz willfährig zu machen. Daran versuchen sich ja im Osten gerade so einige. Alles Dilettanten, die noch nicht begriffen haben, dass das auch eleganter geht.
Der konservative Rajoy hat es vorgemacht. Es gibt in Spanien die Unterteilung zwischen Ordnungswidrigkeiten und Delikten. Bei Ordnungswidrigkeiten ist die Gerichtsbarkeit faktisch aussenvor. Es ist nicht wie in Deutschland: Falsch geparkt, Bussgeldbescheid, Widerspruch, ein Gericht entscheidet dann wie es zu beurteilen ist. Was haben sie mit diesem schönklingenden "Gesetz zum Schutz des Bürgers", von den Bürgern jedoch dann jedoch richtigerweise in "Maulkorbgesetzt" umbenannt gemacht? Schlicht, sie haben was vorher ein Delikt war und wofür Gerichte zuständig waren zu Ordnungswidrigkeiten heruntergestuft. Und ganz schlau, die Franzosen machen es genauso, es werden sehr hohe Bussgelder verhängt, dass aber damit "versüsst" wird, dass gesagt wird, wenn Du innerhalb von 14 Tagen zahlst und damit anerkennst, brauchste nur die Hälfte des Bussgeldes zu zahlen. Zahlste nicht freiwillig kann es Dir passieren, dassde zu Deiner Bank kommst und Dein Konto ist leer. Wegen der DNI, der vom Diktator Franco eingeführten Kontrollnummer, welche Dir bei der Geburt für lebenslang zugeteilt wird, diede überall angeben musst, kennen die natürlich auch alle Deine Konten.
Alle "Straftatbestände", die in diesem "Maulkorbgesetzt" zusammengefasst wurden, gab es natürlich schon immer, nur, es waren halt Delikte und keine Ordnungswidrigkeiten, bei denen die Polizei selbst bestimmen konnte, was sie als '"unzulässig" sieht. Ein Polizist sieht sich herablassend von Dir schief angeguckt: Ordnungswidrigkeit, tausende von Euro Strafe sind drin, sofort vollstreckbar.
Natürlich gingen sofort Juristen, Richter auf die Barrikaden: DAS ist nicht mit der Verfassung vereinbar. Man liess sie halt lamentieren und das war es.
Und nun verspricht jede Partei im Wahlkampf, dass das Erste was sie tun werden ist dieses Maulkorbgesetz abzuschaffen. Bei den Versprechen ist es bisher immer geblieben. Zuletzt hat es nur noch zu einer "Novellierung", Abschwächung gereicht und auch die wurde abgeblockt.
Was die Überwachung der Bürger und die einschüchternden Sanktionen angeht ist in Europa Spanien allen anderen ein gutes Stück voraus.
In Brüssel sind nicht wenige der Ansicht, dass das was Spanien unter einem Rechtsstaat versteht nicht das ist, was der Rest der EU darunter versteht. Aber so richtig laut etwas dazu sagen will keiner.
Auch einmalig (glaube ich) in der Gemeinschaft der Demokrationen ist, dass sich eine paramilitärische Gruppierung wie die Guardia Civil um zivile Angelegenheiten kümmert, im Alltag allgegenwärtig ist. Nicht wenige vertreten die Ansicht, dass Spanien so ziemlich das einzige Land in Europa ist, welches von heute auf morgen wieder eine Militärdiktatur einrichten könnte. Das Wirken der Guardia Civil im Bürgerkrieg Spaniens und in der darauf folgenden Diktatur Francos hallt bis heute in der Bevölkerung nach. Weiche Knie in Begegnungen mit der Guardia Civil sind die Folge.
Dass ein Staat, der heute schon zu den "Gründervätern" der EU gezählt wird, Regelungen hat, die mit demokratischen Grundsätzen wenig vereinbar scheinen ist in anderen Ländern der EU dem Anschein nach kein erstzunehmendes Thema. Weder für die Politik und auch nicht für die Presse.
Es gibt dazu in deutscher Sprache kaum etwas zu finden. Deshalb hier eine Darstellung, die mir etwas unnötig lang erscheint:
https://spanienfuerdeutsche.wo…/2017/04/22/knebelgesetz/