Rechtsprechung am Rande des Wahnsinns _

  • Ich kenne die Definition der GUV nur so wie sie im Wiki definiert ist:

    Die gesetzliche Unfallversicherung zählt zur gegliederten Sozialversicherung, sie ist ein „Versicherungszweig“. Ihr Zweck besteht darin, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten und nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen.

    Vom im "Auftrag der Allgemeinheit" hab ich noch nie gehört. Ich würde mir jedoch nicht zutrauen in dieser Ecke des Sozialrechts irgendetwas zu interpretieren, weil das Sozialrecht einfach zu kompliziert und umfangreich ist. Ich hab auch keine Ahnung wieso ein Fall wie dieser von der GUV überhaupt abgedeckt sein sollte. Es scheint aber so zu sein. Ich ging nur vom Urteil aus, da hätte das Gericht, wenn man es so eng definiert sagen können: Hier greift die GUV nicht und Ende. Das Gericht unterscheidet aber: Rennt der nun lediglich hinter seiner Brieftasche her oder hinter dem Dieb, um den seiner gerechten Strafe zuzuführen oder ist er von beidem motiviert? Sorry, aber was für ein Humbug! Is es nicht egal aus welchen Motiven er den Dieb stellt und damit was für die Allgemeinheit tut?

    ....

    Nachtrag: Rein vom juristischen Spitzfindigkeitsargumentieren verstehe ich sone Entscheidung schon. Aber auch nur aus dieser Sicht heraus, weil ich der Meinung bin, dass "man" es damit auch übertreiben kann und schon gar nicht davon abhängig machen sollte, was ein Richter subjektiv glaubt oder nicht glaubt. Wer macht sich schon, wenn er Opfer eines Vergehens oder Verbrechens wird und spontan reagiert, Gedanken um seine Motivation?

    „Arme Kinder sind genauso schlau und so talentiert wie weiße Kinder.“ :thumbup:

    US-Präsident Biden 2019 in einer Rede in Iowa,

  • Musste ich mich halt mehr oder minder unfreiwillig mit auseinandersetzen, ganz früher aus der Sicht eines Versicherungsunternehmens, anschließend als Arbeitgeber (welcher Unfall muss wo gemeldet werden und zu welchem Doc muss der Verunfallte) und dann zusätzlich im Vereinswesen (welcher Autounfall bspw. ist über die gesetzliche versichert, welcher muss privat reguliert werden). Mein Wissen um die Sache ist aber eher veraltetes und gefährliches Halbwissen und als Jurist hatte ich damit natürlich auch nie zu tun - wie auch ^^

    Ein Teil dürfte auch in der glaubwürdigen Argumentation des Betroffenen liegen, schildert er glaubhaft seinen Versuch der Ergreifung des Täters und seiner aktiven Hilfe bei den Aufgaben der Ordnungshüter oder präsentiert er stolz die Rückeroberung seiner persönlichen Brieftasche, weil er sich sowas einfach nicht bieten lässt.

    Auf der anderen Seite sehe ich auch noch "uns", warum sollen wir zahlen, weil er so dämlich ist, sich die Brieftasche klauen zu lassen und dann auch noch zu arrogant die Polizei zu rufen und statt dessen vor seinem "Weibchen" den starken Mann markieren muss?! Da wären "wir" wahrscheinlich billiger dabei weggekommen, hätten wir ihm einfach den Wert seiner Brieftasche ersetzt, statt sein persönliches Ego zu finanzieren. Aber genau das ist rein privat und NICHT über die GUV versichert. (Vorsicht Falle - vorsätzlich überspitzt formuliert ^^)

    Er war Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand.

    (Volker Pispers)

  • Zitat

    Das war mir schon klar - mir ist nur nicht klar warum ich versichert bin wenn ich fremdes Eigentum schütze, rette was auch immer, und das bei meinem eigenen nicht gelten soll.


    Das hatte ich ein wenig anders verstanden. Ging es hier nicht um die Sache an sich, also warum der dem Dieb überhaupt hinterher gerannt ist?

    Das Problem war hier doch, dass er es angeblich nur machte, um die Brieftasche wieder zu bekommen.

    Wäre er dem hinterher gelaufen, um ihn zu schnappen, ihn dingfest zu machen, also einen Verbrecher zu stellen und somit für "Wohl und Ordnung" zu sorgen, dann wäre das kein Problem mehr gewesen - so verstehe ich das eigentlich.

    Das geht dann auch mit seiner eigenen Brieftasche. Auf die Frage nach dem "warum sind Sie hinterher gerannt?" darf man dann halt nicht antworten "Ich wollte meine Brieftasche wieder", sondern "Ich wollte den Dieb stellen und festhalten, bis die Polizei kommt."

    Wenn ein Mensch nicht um dich kämpft, hat er nur gewartet, dass du gehst. ;(

  • So oder so ist man irgendwie der Arsch:
    Wenn man sich wehrt und verletzt wird, wird einem gesagt: "Hätteste Dich halt nicht gewehrt. Es war doch nur ein Diebstahl. Jetzt mußte der arme Dieb/Einbrecher ne Körperverletzung begehen."
    Verletzt man den Dieb/Einbrecher bekommt man "Du darfst doch das Recht nicht in die eigene Hand nehmen, dafür ist doch die Polizei da" zu hören.
    Dann kommt ein Polizist daher und meint so ganz vertraulich: "Gut, das Du das gemacht hast. Wir können auch nicht überall sein und sind sowieso unterbesetzt. Und wir können uns auch nicht um jeden Scheiss kümmern heutzutage. Aber in Zukunft lass die Fäuste stecken - sonst kommen wir nächstesmal wegen Dir."

    Wer zuerst "Datenschutz" sagt, hat verloren.

  • Zitat

    Wäre er dem hinterher gelaufen, um ihn zu schnappen, ihn dingfest zu machen, also einen Verbrecher zu stellen und somit für "Wohl und Ordnung" zu sorgen, dann wäre das kein Problem mehr gewesen - so verstehe ich das eigentlich.

    So ist es auch zu verstehen, deshalb mein Hinweis zum Unterschied zwischen der gesetzlichen und privaten UV.
    So wie Margin schreibt, Gesetzliche UV tritt ein, wenn es um Tätigkeiten für die Allgemeinheit geht. In der Praxis sieht es bei einer Überschneidung von GUV PUV so aus, dass der Geschädigte die für Ihn günstigere Reglung in Anspruch nimmt und evtl. die Versicherungen die Zuständigkeiten im Hintergrund regeln.

    Meine Vermutung, der Geschädigte glaubte sich in erster Instanz selber vertreten zu können oder sein RA war ne Pfeiffe. Ich höre den Anwalt der GUV förmlich fragen "Und Sie haben den Dieb verfolgt um Ihre Brieftasche wieder zu bekommen?", und schnapp Falle zu.
    Aber mal ehrlich, hören tut man immer von diesen seltsamen Urteilen, 99% aller Urteile passen schon. Gerade was Versicherungsstreitigkeiten betrifft, sind die Richter schon sensibilisiert. Habe ich selber schon im Kammergericht Berlin von einem Richter gehört, wie er zu dem "Gutachter" der Versicherung sagte, "kommse, hörnse uff, ditt hat schon letztet mal nischt genützt."

    Frei nach Dieter Nuhr
    Das Internet ist zum Lebensraum der Dauerbeleidigten geworden, die immer einen Grund finden, anderen irgendetwas vorzuwerfen, um sich selbst moralisch zu erhöhen.

  • Hä hä, fällt mir grad wieder ein, war 'ne BWL-Hausarbeit Abteilung Recht:

    2 Arbeitnehmer fahren mit dem privaten PKW im Firmenauftrag von A nach B. Beide fahren vorm Supermarkt rechts ran, stolpern beim Aussteigen, verstauchen sich das Fußgelenk. Der eine ist ausgestiegen um die Straßenkarte zwecks Zielfindung auf der Motorhaube besser lesen zu können, der andere, um fix eine Packung Klopapier zu kaufen, weil er zuhause keins mehr hatte.

    Na ja, die korrekte Lösung dürfte hier inzwischen jedem klar sein ^^

    Er war Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand.

    (Volker Pispers)

  • Dann sei mal lieber ganz friedlich und artisch da drüben. Weißt doch, ich hab 'ne riesige Bratpfanne mit ganz laaangem Stiel :knueppel:

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    (Volker Pispers)

  • Jo, das ist so zu verstehen, wie Du und Guppy das definieren Syno und im Kommentar zu dem Urteil steht auch, dass der Richter dem Betroffenen nicht glaubte. Und daran setzt meine Kritik an, er muss also bestritten haben, lediglich seiner Brieftasche hinterher gerannt zu sein. Und nach meinem Rechtsempfinden handelt jemand auch im "öffentlichen Interesse", auch wenn er lediglich seiner eingen Brieftasche hinterherrennt, weil er im Erfolgsfall auch den Dieb stellt. Und das jemand so "doof" ist sich die Brieftasche klauen zu lassen ist ein schwaches Argument, weil die meisten Berufsdiebe dazu viel zu professionell arbeiten.

    Sone andere Konstellation: Da wird von Experten immer wieder empfohlen nicht den Helden zu spielen und sich ruhig zu verhalten, wenn Diebe im Haus sein sollten. Es gibt aber einige Fälle, da haben Betroffene genau nach diesen Ratschlägen gehandelt, die Versicherungen aber haben, weil der Betroffene nicht aktiv geworden ist die Zahlung verweigert und Gerichte haben diese Argumentation mitgetragen.


    >> Kein Wunder sind diese BWLer so verdreht...

    ^^

    Jo, so mancher alteingesessene Jurist sagt dazu: Lass Dich nie mit nem BWLer auf ne juristische Diskussion ein. Für mich ist Margin aber ne löbliche Ausnahme.

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    US-Präsident Biden 2019 in einer Rede in Iowa,

  • Hey Du da, das war derart überzogen formuliert, dass ich dachte, könnte mir die Ironie-Tags sparen :grummel:

    Klar is das alles doof, aber wo willste da die Grenze ziehen? Is doch nicht nur in diesem Fall so, nimm doch das Thema Selbstverteidigung und Selbstjustiz. Wo fängt das eine an, was ist unangemessen, wo hört das andere auf?

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    (Volker Pispers)

  • Ich finde das so oder einen Quatsch. Entweder sollte die Versicherung bei beidem greifen oder bei keinem. Mein Post bezog sich ja nur darauf, wie ich es verstanden hatte - nicht wie ich es akzeptiere / erwarte ;) Letztendlich kann man so alles auslegen wie man lustig ist.

    Und Deine andere Konstellation: Das hatte ich erst mit meiner Mutter gestern. Zwischen dem, was manche raten und dem, was gut für einen ist, liegen oft Welten. Z.B. Verschlüsselung, auch wenn es OT ist. Alle raten dazu, weil es sicher ist und wegen Datenschutz und so. Verschlüsselt man aber, dann steht man wohl gleich wieder unter Verdacht, was verheimlichen zu wollen.

    Und das ist bei Versicherungen auch überall so. Da sind Dinge versichert und andere wieder nicht, wobei beide für den normalen Bürger identisch sind.

    Und weil Guppy da oben was schrieb. Wie war das mit dem einen Mann am Bahnsteig, der von Jugendlichen überfallen wurde und sich wehrte? Der wurde noch bestraft und musste zahlen, wegen Körperverletzung ?? Und dabei lag der selbst Wochen im Krankenhaus... Hallo, wo leben wir denn?

    Wenn ein Mensch nicht um dich kämpft, hat er nur gewartet, dass du gehst. ;(

  • Zitat von Synonym;45877


    Und weil Guppy da oben was schrieb. Wie war das mit dem einen Mann am Bahnsteig, der von Jugendlichen überfallen wurde und sich wehrte? Der wurde noch bestraft und musste zahlen, wegen Körperverletzung ?? Und dabei lag der selbst Wochen im Krankenhaus... Hallo, wo leben wir denn?

    ???

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  • Zitat von Margin;45876

    Is doch nicht nur in diesem Fall so, nimm doch das Thema Selbstverteidigung und Selbstjustiz. Wo fängt das eine an, was ist unangemessen, wo hört das andere auf?


    Selbstjustiz begeinnt da, wo Du Hoheitliche Aufgaben übernimmst, ohne dafür legitimiert zu sein.

    Der Rahmen von Notwehr und der sogen. Bürgerverhaftung ist sehr eng gesteckt.
    Wenn Dir ein 12-jähriger in die Tasche greift, dann darfst Du den nicht mit Deinen 100kg Kampfgewicht in die Ecke drängen, Deine 15 Jahre Karate-Kenntnisse ausspielen und ihn so lange kloppen, bis er Behindert ist. 8)
    Wenn der Kleine aber wegrennt, Du schnappst ihn Dir, hältst ihn fest (und damit meint man nicht: Du setzt Dich mit dem Hintern auf sein Gesicht bis es ruhig wird unter Dir) und rufst die Polizei - dann ist das korrekt.

    Wer zuerst "Datenschutz" sagt, hat verloren.

  • Um mal auf das Urteil einzugehen, dass am Anfang angesprochen wurde, mal die Urteilsbegründung lesen. Der, der die Klage angestrebt hat, hat scheinbar ohne eignes Verschulden, falsche Angaben im Polizeiprotokoll stehen. Vollkommen unterschiedliche Angaben im Polizeiprotokoll und der Unfallmeldung. Das wird bei der Klageabweisung sicherlich auch eine Rolle gespielt haben, wenn es auch in der Begründung anders dargestellt wird.
    Man müsste dieses Rechtsanwalts/Gerichtsdeutsch untersagen und Urteilsbegründungen verpflichtend in einer verständlichen Ausdrucksweise erstellen lassen. Ab Punkt 29 vergeht einem das Lesen.

    *** Link veraltet ***

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  • Zitat

    ???


    Ah, sorry, war Cura...

    Zitat

    "Begeht einer an Dir ein "Verbrechen", lass es geschehen, Du könntest Deinen Verscherungsschutz verlieren, wenn Du Dich zu wehren versuchst und Dir dabei was passiert. Klar, ist jetzt etwas überspitzt, aber darauf läuft es hinaus.

    Wenn ein Mensch nicht um dich kämpft, hat er nur gewartet, dass du gehst. ;(

  • Danke Guppy, hab das Urteil gestern im Volltext gesucht, aber nicht gefunden.

    Nee, die zwei unterschiedlichen Aussagen spielten keine Rolle, die wurden mit dem "schlechten Englisch" der aufnehmenden spanischen Beamtin erklärt.

    Um was es geht, geht daraus hervor:

    34(5.) Eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der versicherten Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt


    Schwere Kost, da muss ich Dir Recht geben Guppy, ich musste es auch zweimal lesen und beim zweitenmal ganz langsam. Aber es bleibt im Grunde beim bereits von uns Erarbeiteten, die Frage war, hätte er den Dieb auch verfolgt, wenn es sich nicht um seine eigene Brieftasche gehandelt hätte und ob dann auch noch eine "versicherungsbezogene Handlungstendenz" bestanden hätte. Das Letztere musste aber nicht mehr wirklich geklärt werden, weil er ja, nach Ansicht des Gerichts, lediglich hinter seiner eigenen Brieftasche herrannte.

    Die hielten sich ja anscheinend wegen einem berufsbezogenen Kongresses dort auf, der aber einen Tag vor dem Überfall geendet hatte, sodass dann die Frage gewesen wäre, ob der Tag danach noch in den Bereich "Arbeit" gefallen wäre oder bereits in den Bereich "Urlaub und Freizeit".

    Jo, aber welcher normale Mensch soll das noch verstehen?

    „Arme Kinder sind genauso schlau und so talentiert wie weiße Kinder.“ :thumbup:

    US-Präsident Biden 2019 in einer Rede in Iowa,

  • Ich verstehe nur, das man sich die meisten Versicherungen einfach sparen sollte, weil sie im Ernstfall sowieso nicht zahlen (wollen).
    Privat habe ich nicht mal eine Haftpflicht... nur eine private Krankenkasse, die ich sowieso um jeden Euro erpressen muß, damit sie mal was rausrückt.

    Wer zuerst "Datenschutz" sagt, hat verloren.